Ilsebyll Beutel-Spöri | 23. September 2012

Die Kieselsteine

Dieter Kieselstein – 1969 hörte ich den Namen zum ersten Mal, doch kennen gelernt habe ich ihn in Persona erst ein paar Jahre später.

„Kieselstein – mein Fachdozent für Marionettenbau und Spiel“ sagte Fritz Wortelmann, der Leiter des Deutschen Instituts für Puppenspiel in Bochum, vollmundig. Diesen Mann, der drei Jahre lang mein Lehrer an der neu gegründeten Puppenspielschule sein sollte, wollte ich vorher kennen lernen, um zu sehen, ob man sich auch gegenseitig sympathisch ist. Aus dem Treffen wurde leider nichts, und ich entschied mich bei meinem Schritt vom Amateur zum Berufspuppenspieler gegen die Schule und für die praktische Mitarbeit bei einem Marionettentheater.

1973 lernte ich dann Dieter Kieselstein kennen, und zwar bei der Gemeinschaftsinszenierung „Besuch der alten Dame“ von Dürrenmatt in Braunschweig. Die Mitwirkenden, zusammengebracht vom Regisseur P.K. Steinmann, waren ein bunt gemischter Haufen von Puppenspielern: alte Hasen waren dabei wie Fritz Leese und Dieter Kieselstein, aber auch junge wie Monika Magersuppe und ich.

Ich war nicht nur schüchtern, sondern auch manchmal tollpatschig und ungeschickt. So passierte es mir, dass ich gleich zweimal unseren Tauchsieder durchbrennen ließ, weshalb es in der Kaffeepause keinen Kaffee gab. Kieselstein explodierte, und seine spöttischen Bemerkungen verfolgten mich während der ganzen Probenphase.

1973, gleich nach Gründung unseres Puppentheaters „kleines spectaculum“, trat ich in den Verband Deutscher Puppentheater ein, davon überzeugt, dass wir eigenbrötlerisch arbeitenden Puppenspieler dringend den Austausch mit Kollegen nötig haben.

Es war wohl 1978, als wir uns mit dem Marionettenstück „Ich bin ein Bär“ bei der Figurentheaterwoche Marl präsentierten und auf die Kritikrunde mit den Verbandskollegen gespannt waren. Doch Dieter Kieselstein, damals im Vorstand, wollte unseren Puppenbauer und Bühnenbildner Kurt Spöri – meinen späteren Mann – erstmal nicht einlassen. Begründung: dass er ja selbst kein Verbandsmitglied sei. Die Vorgeschichte war ein Journalist, der Interna aus Besprechungen ausgeplaudert hatte. Deshalb war Dieter gegenüber Außenstehenden misstrauisch, und stur war er außerdem! Aber nach hitzigen Diskussionen lenkte er ein, und später haben wir gemeinsam darüber gelacht.

Vierzig Jahre kenne ich nun die Kieselsteins. In der Zeit hat sich die anfängliche Distanz in große Anerkennung und in eine kollegiale Freundschaft verwandelt. Manchmal haben wir uns nur einmal im Jahr gesehen, nämlich zu den VDP-Tagungen. Aber dann haben wir uns riesig gefreut, haben zusammengesessen, erzählt und viel gelacht.

Dieter Kieselstein gab dem Berufsverband wichtige Impulse, ob als Mitglied oder in der Funktion des Geschäftsführers und auch des 1. Vorsitzenden. Diese Ehrenämter hat er viele Jahre ausgeübt. Nach außen vertrat er uns selbstsicher und kämpfte für die Anerkennung und das Image unseres Berufsstandes, sei es bei Fragen zur Künstlerenquete, sei es im „Deutschen Kulturrat“ oder im „Fond Darstellende Künste“. Nach innen wirkte er für den Zusammenhalt und die Offenheit unter den Kollegen. Gespannt habe ich immer auf seine Rundbriefe gewartet, unterschrieben mit: „Euer Funktionär“.

Jedes Jahr freuten wir uns auf die satirische Neujahrskarte aus dem Hause Kieselstein: Figur und Text und Bezug zur aktuellen Politik, das war gut und witzig.

Auch wenn ich manchmal fand: „Dieter ist so polterig“ – dafür war und ist er immer direkt und ehrlich. Und notfalls musste Gisela die Wogen glätten, und sie fand immer diplomatische Worte.

Dieter und Gisela Kieselstein sind ein solch gegensätzliches Paar, das sich gerade deshalb wunderbar ergänzt, und sie leben auch heute noch nach dem Grundsatz: zueinander halten in guten und in schlechten Tagen!

Bei Gastspielen von uns im Ruhrpott oder Kieselsteins in Fellbach, ergab sich auch mal ein privater Besuch. Da verstanden wir uns prima zu viert, denn wir waren uns einig, dass nicht nur das Puppentheater im Leben wichtig ist, sondern ebenso Familie und Kinder, das soziale Umfeld, die Gesellschaft und die Politik.

Wofür ich die Kieselsteins besonders liebe, das ist ihre Echtheit und ihre Menschlichkeit.

Lieber Dieter, liebe Gisela, ihr seid nicht nur schätzenswerte Kollegen, ihr seid auch Freunde. Ich wünsche Euch für die verbleibenden Lebensjahre Wohlergehen und Lebensfreude!

Eure Ilsebyll Beutel-Spöri