Markus Dorner | 28. Oktober 2012

Dieser Kieselstein bleibt …

Dieser Kieselstein bleibt. Ist der Lebensfaden von Dieter Kieselstein auch gerissen, bleibt er als gestaltender und darstellender Künstler in Erinnerung.

Bei Spaziergängen in meiner Kindheit oder beim Spielen am Ufer eines Flusses waren diese und jene Kieselsteine zufällige Fundstücke und blieben für einige Zeit als kleine Kostbarkeiten Sammlerstücke in meiner Handfläche oder Hosentasche.

Heute, als Leiter eines Puppentheatermuseums und als Kurator der Landesfigurensammlung Rheinland-Pfalz, habe ich das Privileg, Exponate der Puppentheaterkultur zu sammeln und sie für die Zukunft zu bewahren. So nahm ich auch immer wieder die Kunstwerke herausragender Qualität mit dem Markenzeichen Dieter Kieselstein in Augenschein. Grundlagen: Solides Handwerk (Dieter war gelernter Dreher) und spezialisiertes Gestaltungswissen auf der Basis einer Ausbildung bei Fritz Herbert Bross, jenem wahren Marionettenbauprofessor ohne Professorentitel.

Wer das „Museum für PuppentheaterKultur“ der Stadt Bad Kreuznach aufsucht, lernt es als interessanten Ort kennen, wo Traditionen und Entwicklung zur Modernedes Figurentheaters sichtbar werden. Wer Bleibendes von Dieter Kieselstein sucht, der kann im PuK die Spur aufnehmen, denn sein Lebenswerk bildet – ohne sich aufzudrängen – einen der roten Fäden durch das Haus. Schon im Museumsshop des Eingangsbereiches kann der Besucher eine Mappe mit leicht herzustellenden Kartonfiguren à la Kieselstein erwerben. So zieht dieser Kieselstein also auch in Zukunft Kreise bei Kindern und Familien, regt sie zum kreativen Bauen und Spielen an.

Unsere permanente theaterhistorische Ausstellung unter dem Motto „Deutsche Puppentheater Geschichte und Geschichten“ beginnt mit dem Ensemble der Stabfiguren zum „Gespenst von Canterville“ und erinnert daran, dass Dieter und Gisela Kieselstein zusammen mit dem Kollegenehepaar Leese früher als andere das künstlerische Wagnis einer Koproduktion zweier Theater eingingen und so die Szene weiterbrachten. Der „Schwerpunkt Marionette“ im Zentrum der Ausstellungshalle wird durch das Vermächtnis von Dieter Kieselstein um ein Juwel besonderer Art bereichert. Ein Kieselsteinscher Musterkoffer, angefüllt mit allen denkbaren Gelenkverbindungen für den Bau von Marionetten (Variationen nach Bross) wird hier seinen Platz finden. So rückt der ehemalige Meisterschüler an die Seite seines Lehrers und steht mit Fritz Herbert Bross im Zentrum des museal aufbereiteten Marionettenthemas. Ein Schwerpunkt mit sinnfälligen Ergänzungen aus Dieter Kieselsteins Hand.

Im Übergangsbereich zum Figurentheater der jüngeren Vergangenheit durchschreitet der Museumsgast ein nachempfundenes Eiland mit den Inselbewohnern von Shakespeares „Der Sturm“ in Marionettengestalt (1964). Auch hier wirkte Dieter seinerzeit mit, nicht in der ersten Reihe bei Regie oder Ausstattung, aber in der verantwortlichen Position des Bühnenmeisters und führenden Ensemblespielers unter dem Label „Studiobühne des Deutschen Instituts für Puppenspiels“.

Das Markenzeichen, der Spielplanhit „Wie heißt das Zebra?“, befindet sich erst seit jüngster Zeit im Besitz des PuK und wartet auf einen dauerhaften Platz in der Ausstellung. Doch welches Stück der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts wäre geeigneterer Beleg dafür, dass in jener Epoche Kinderstücke auch ohne die Kasperfigur erfolgreich und unterhaltsam sein konnten? Eigentlich müssten die Museumsbesucher die Möglichkeit bekommen, das Zebralied (Achtung: Ohrwurm) via Kopfhörer kennenzulernen …

Auf dem musealen Fernsehsofa haben alle legendären TV-Stars des Puppenspiels Platz genommen, von gestern bis heute, vom Hohnsteiner Kasper bis zum Käpt’n Blaubär, und mittendrin selbstverständlich der Li-La-Launebär. Er grüßt seinen Bärenvater Dieter Kieselstein. Das farbige Erinnerungsfoto der Sofabesetzung erscheint ganzseitig im aktuellen Museumskatalog, erhältlich auch im Postkartenformat als bleibende Erinnerung für Daheim.

Kein Museumsbesucher aber vermutet, dass in den Aufbewahrungskartons des Depots auch mehrere Cousins und Bärenbrüder des Launebären-Originals für die Nachwelt konserviert bleiben, sogar Bärentatzen mit Sondermechanik zum Greifen samt bunten Wechselgewändern für den flexiblen Fernsehbären, geschneidert von Gisela.

Das alles bleibt in Bad Kreuznach.

Im Theaterarchiv findet sich der sympathisch-charmante Werbetext der Wattenscheider Kieselsteins aus dem Jahr 1980. Zum Schluss soll dieser – in abgewandelter Form – der Nachwelt erhalten bleiben.

Wir sind das Puppentheater Kieselstein, wir waren nicht das größte Puppentheater und nicht das kleinste, weder das traditionellste noch das volkstümlichste, sicher nicht das bekannteste, dabei auch nicht das internationalste. Aber im Museum für PuppentheaterKultur sind wir eines der bemerkenswerten und unsere Puppen sind ausstellungsreif. Wir waren das Puppentheater Kieselstein.