Martin Faller | 23. September 2012

SP 60 – Weymouth hört mit

Villingen-Schwenningen. Es war der 9. Januar 1986. Um 20 Uhr begann das Theaterstück „Marionetten“ mit dem Puppentheater Kieselstein.

Sicherlich hat es geregnet. In VS regnet es immer oder es schneit Berge. Ich kann mich nicht mehr erinnern.

Das Programmheft von damals besitze ich heute noch. Die Kieselstein-Inszenierung ist eine Szenenfolge mit 14 eigenständigen Sequenzen für Erwachsene. Eben „ein Abend mit Marionetten“. Das Publikum war begeistert. Lebhaft im Gedächtnis sind mir noch „Hans Huckebein“ und der Musiker „Sunny Boy“. Beide begegneten mir später – übrigens ist das noch nicht lange her – in Bottrop.

Ingo Woitke hatte ein Gespräch mit Kieselsteins geplant und bat mich dabei zu sein, nicht nur um das Ergebnis zu dokumentieren.

Am Samstag sind wir von Essen aus nach Wattenscheid gefahren. Es war der 21. Januar 2012. Einen Tag vorher trafen wir uns zu einer Vorbesprechung. Das Interview mit den Puppenspielern sollte Aspekte tangieren, die noch nicht in der Fachliteratur diskutiert worden waren. Beim Puppentheater Kieselstein ein nicht gerade einfaches Unterfangen.

Es wird ein sensationeller Fachartikel werden. Sobald ich von meinem Co-Autor die erste Zeile zu lesen bekomme, entwickeln wir ein schlüssiges Konzept.

Unser Ziel in Wattenscheid hieß „Gertrudenhof“. Dabei dachte ich an Barlach, eine Art Künstleratelier – irgendwo im Grünen. War aber nicht.

Wir landeten dann bei Kieselsteins im Wohnzimmer. Beide saßen mir gegenüber. Rechts neben Dieter seine Frau Gisela, Ingo links von ihm.

Und dann begannen wir mit unseren sensationellen Fragen. Im Fenster stand „Weymouth“ und dachte sich was.

Zuerst wollten wir wissen, wie sich Dieter und Gisela Kieselstein als Künstler fühlen. Die Antwort war für mich ernüchternd. Vielleicht waren derartige Überlegungen für beide nicht so zentral.

Danach sprachen wir ausführlich über das künstlerische Konzept der Puppenbühne.

Der nächste Fragenkomplex betraf die Stückentwicklung an ausgewählten Beispielen. Ingo wollte Informationen zu „Plim und Plum“ haben, für mich stand das Marionettenprogramm eher im Fokus.

Dann hatten wir noch den „Sturm“ auf die Agenda gesetzt und Kieselsteins Hospitation in Augsburg. Alle Themen – ausnahmslos – wurden von beiden Künstlern präzise und aussagekräftig ausgeführt, und es war ganz deutlich zu spüren, was Professionalität bedeutet.

In den Konstruktionszeichnungen für Marionetten von Fritz Herbert Bross taucht regelmäßig das Kürzel „SP“ auf. Dieter Kieselstein hat für mich an diesem Samstagnachmittag das Geheimnis gelüftet.

Am Ende des langen Gesprächs hatten wir ein komplexes Spektrum an Sujets bearbeitet, über die ich in der Fachliteratur tatsächlich noch nichts gelesen hatte.

Beiden Kieselsteins möchten wir für das Gespräch im Januar 2012 danken. Und für ihre Freundlichkeit ebenfalls.

Im Hausflur hat mir Dieter Kieselstein noch ein kleines Buch geschenkt über seine Bühne. Es heißt „Marionetten“ Und darin findet sich auch ein schönes Foto von „Weymouth“.

Später saß ich am Bahngleis in Wattenscheid, wartete auf meinen Zug nach Bielefeld, blätterte im Marionettenbuch und war begeistert von der Schönheit der Figuren.

Und bestimmt hat es geregnet. Es regnet immer im Pott.