Susanne Kieselstein | 23. September 2012

Episoden zum Puppentheater Kieselstein

Szene 1

Zwei gleichaltrige fünfjährige Mädchen sitzen auf einer kleinen Holzbank in ihrem Kinderspielzimmer, beide Mädchen halten in den Händen Teelöffel. Die Löffel werden am Stil gefasst und das Oval der Löffel im Takt gegeneinander geschlagen, die Bewegung erfolgt überkreuz, mal befindet sich der eine, mal der andere Löffel vorn. Es entsteht ein Rhythmus. – Zwei Vorschulkinder spielen: die Mädchen sind für einander Mütter, die sich mit ihren kleinen Kindern im Park aufhalten und sich die Zeit vertreiben, indem sie stricken. Die Löffel imitieren die Bewegung, den Rhythmus und das Geräusch des Strickens, sie stellen Stricknadeln dar. Diese Szene findet in der Phantasie im Kinderzimmer statt.

Beide »spielen«, der Darsteller wie das Kind, und doch unterscheiden sich die Tätigkeiten, in der jeweils verschiedenen Perspektive des zugrundeliegenden Bewusstseins. Wo die kindliche Imitation und Imagination zu einer vorbewussten Ersatzhandlung führt, strebt die künstlerische Imagination eine bewusste Darstellung an. (Knoedgen, Werner [1990], Das Unmögliche Theater, Stuttgart, 18)

Szene 2

Zwei Tage später greifen die Kinder erneut zu den Löffeln. Einer der Löffel (1) wird von einem der Mädchen auf dem Tisch langsam, Zentimeter für Zentimeter in kurzen, hüpfenden Sprüngen bewegt, der Stil wird dabei nach unten gehalten, die konkave Seite zeigt nach vorn, dann stoppt der Löffel, er steht einem zweiten Löffel (2) gegenüber; dieser wird von dem anderen Mädchen geführt, ebenfalls mit dem Stil nach unten, der Löffel zeigt seine konvexe Seite dem Löffel 1. Löffel 2 wird nun einige Zentimeter vom Tisch angehoben, in eine leichte Schräglage gebracht, ein tiefes, hörbares Einatmen begleitet diesen Vorgang, mit prustender Ausatmung verleiht das Kind dem Löffel starke Attribute: Kraft, Vitalität, Macht und untermalt das Verhalten mit einem ansteigenden Ton, der sägend, knurrend von Bedrohung und Gefahr kündet. Löffel 1 reagiert, macht daraufhin, eingeschüchtert, eine Kehrtwende, und sich in kleinen, knappen Schritten hastig davon. Der Löffel wird dabei kurz, schnell und energisch auf den Tisch gestoßen. Diese kurzen und knappen und gleichwohl kräftigen Schritte des Löffels vermitteln, dass hier noch ein Anspruch aufrechterhalten wird, der scheinbar widerstandslose Abgang geschieht unter Protest. Die Löffel nehmen zwei unterscheidbare Rollen wahr – ihr wesentlicher Unterschied ist ihr Status (niedrig/hoch).

Eine Schere wird dort (: im Objekttheater) aber kaum einmal ein‚ „unschuldiges Kind“, ein Putzeimer kaum einen „Intellektuellen“, ein Hammer kaum einen „harmlosen Schwächling“ darstellen. (Knoedgen, W., ebd., 532)

Szene 3

Der Teddy (1), ein Stofftierspielzeug der Firma Steiff, wird geführt wie eine Tisch-Handpuppe; die kindliche Spielerin lässt den Teddy Platz nehmen; die Kommentierung erfolgt durch ein lautes, lang gedehntes Puhhh – mit hörbarer Ausatmung. Präsentiert wird ein starker, kräftiger Bär, der erschöpft und müde ist. Ein zweiter Teddy (2) eilt herbei, gespielt von einem anderen Kind, er bewegt sich eng, zart, zurückgenommen, und fragt mit hoher Mädchenstimme, was ist mein Lieber, ist es dir nicht gut? Doch, doch, antwortet Teddy 1 mit tiefer Bärenstimme, weißt Du, die Arbeit, sie macht mir keine Freude. Ach, mein lieber Bär, antwortet Teddy 2, wir werden andere Wälder finden. Jetzt ruh Dich erst einmal aus, bevor Du in die Werkstatt gehst. Der Bär 1 legt sich nun zum Schlafen nieder. In der Imitation des Schnarchens erfährt der Schnarchlaut verschiedene Modulationen, bis hin zu einem lauten krachendem Rarrrrrrr-Rarrrrrr; der Spielzeugteddy ist abgetreten, echte Bärenqualität scheint auf. Die beiden Kinder spielen ein Stück ihrer sozialen Realität, im kindlichen ROLLEN-SPIEL eignen sie sich Realität an.

Die großen Mythen der Menschheitsgeschichte handeln vom Schöpfer und seiner PUPPE, diesem wahnsinnigen Begehren, sich zu begreifen, dieser Passion, sich auszudrücken, um sich zu finden, diese Not, sich zu multiplizieren, um der Einsamkeit zu entgehen. (Petzold, Hilarion [Hg] [1983], Puppen und Puppenspiel in der Psychotherapie, München, 20)

Szene 4

Ostern bedeutet Ostereier suchen und finden. Die Kinder erhalten eine Stabpuppe, einen Osterhasen wie aus dem Bilderbuch. Die Figur bringt alles mit, was eine Stabpuppe ausmacht; sie kann den Kopf bewegen, mit den Armen und Händen (diese sind angedeutet) gestikulieren. Dennoch wird der Osterhase seine Rolle nicht los, nach Ostern betritt er keine Spielszene mehr; er ist festgelegt. Es gibt kein anderes Stück für ihn, er bleibt der Oster-Hase – und damit den Rest des Jahres in der Puppen-Kiste.

Szene 5

Es wird gelernt, viel und fleißig, in erster Linie formell – aber und auch informell, als Besucherin von Puppenspielaufführungen im Zuschauerraum. Erster hoher und nachhaltiger Erkenntnisgewinn: Klappsitze können Mädchenfinger (hier: die der Schwester) einklemmen und quetschen. Zweite Erkenntnis: Veranstaltungssäle sind aufregend, spannend.

Die leicht nach unten absteigende Aula der Wirtschaftsakademie Bochum, die während der „Tage des Puppenspiels“ zum Theatersaal wird, offenbart eine ungekannte, erwartungsvolle Spannung; gedämpfte Gespräche, Unterhaltungen nur leicht über dem Flüsterton. Der durchorganisierte Alltag ist weit weg. Das Saallicht dimmt langsam herunter, die Gespräche verstummen. Es wird dunkel, dann geht das Bühnenlicht an, der Vorhang auf, das Spiel los … Ein Handpuppenspiel.

Am stärksten in Erinnerung geblieben ist mir die Aufführung „(Der) Teufel mit den drei goldenen Haaren“ von Fritz und Elfriede Leese.

Die Kinder bilden dabei ihre Vorstellungen ja nach eigenem Bedarf aus; sie können Befreier oder Opfer sein, Rächer oder Ratgeber, Prinz oder Aschenputtel; und sie fallen nie – das ist die Weisheit des Märchens – ins Bodenlose; immer fängt sie eine gültige Ordnung auf; und anders als in der wirklichen Erfahrung ist sie erkennbar und eindeutig. (Hentig, Hartmut v. [1996], Bildung, Weinheim, 108-109)

Szene 6

Und wieder: Tage des Puppenspiels – die Kinder dürfen mit – soviel und so oft sie wollen – (oder mussten sie mit?) das hat der dicke ältere Herr ermöglicht, dessen Hauptleidenschaft das Telefonieren ist, und der ständig, nervös, einen großen, weißen Stofflappen aus seinen Hosentaschen zerrt um sich damit über das glänzende Gesicht zu fahren. In seinem Dunstkreis eine, in blaue Seide gehüllte Dame, Frau Nastasie. Aufführungen, Werkstätten und Seminare, Erwachsene lernen Puppenbau, Puppenspiel und zeigen, was sie erarbeitet haben und singen aus Leibeskräften: Schöner Husaaaaaarrrrrr! Dazu schieben die Erwachsenen glänzende Stabmarionetten vor sich her, lassen sie aufstampfen, zucken, im Kreis bewegen, es scheint eine Armee ist erfunden, es ist aber nur eine kleine Truppe von Soldaten, die Rüstung, ein Geklapper und Krachen. Herausragend ein Spieler mit klingenden Namen, Nikolaus von Georgy. Und das Stück? Eine Schlacht? Geht es um Eroberung? Die Stimmung ist heiter, Männer und Frauen, es wird viel gelacht, Kinder sind willkommen, Zuschauen ist erlaubt, ist gewünscht, es wird geprobt, einmal, zweimal, dreimal, immer wieder. Lachen wie Glockenspiele, Susi voll Land. Hier mag man stundenlang sitzen und will bleiben.

Gegensatz von Spiel ist nicht Ernst, sondern Wirklichkeit. (Hentschel, Ingrid [2010],Theaterspielen als ästhetische Bildung, Berlin)

Szene 7

Papa, was ist ein Lunarmonat – will Spejbel von Hurvinek wissen – beide Geschöpfe des Prager Marionetten-Theaters. Die Frage löst Verlegenheit aus, Hurvinek weiß zwar um die Bedeutung und den Bedarf der sexuellen Aufklärung, aber es fällt ihm schwer, sich dem Thema zu stellen und seinen Sohn aufzuklären; er druckst herum, weicht aus – er stottert – er ist verlegen, unsicher, wirkt wie ein eingeschüchtertes Kind – die Rollen scheinen vertauscht: Komik. Das Publikum lacht wiedererkennend und amüsiert. Der Dialog scheint schier endlos, ohne auch nur eine Sekunde zu langweilen. Die Zuschauerin versteht zum einen, Hartnäckigkeit ist erforderlich, um den potentiell verschlossenen, verklemmten und Zugang verweigernden Erwachsenen Antworten, Wissen und Geheimnisse zu entlocken. Zum anderen begreift sie, dass die Welt voller Gespräche ist, die nicht zur Begegnung, nicht zum echten Gespräch (*) führen.

„Was ist herrlicher als Gold“, fragte der König? „Das Licht“, antwortete die Schlange. „Was ist erquicklicher als Licht?“ fragte jener, „das Gespräch“, antwortete diese. (Goethe [1988], Das Märchen, Münchener Ausgabe, Bd. 4)

(*) Martin Buber charakterisiert das echte Gespräch als dialogisch, es ist nur unter vier von ihm definierten Voraussetzungen möglich: wesenhaftes Hinwenden zum anderen als „personenhafte Existenz“, sich selbst einbringen, den Schein überwinden und das authentische Sein anstreben, keinerlei vorgefertigte Redebeiträge.

Szene 8

Erotik wird ein Thema – auch im Puppentheater – gleichwohl Kinder und Jugend frei: Eine Spielleiste, zwei Hände, bekleidet mit unterschiedlich farbigen Handschuhen, so, dass die Rollen eindeutig erkennbar sind: Mann und Frau. Zärtlich umgarnt und umkreist die männliche Hand die Frau – es wird sanft gestupst, mit einzelnen Fingern berührt, getastet, schließlich mit der ganzen Hand, den Handflächen, die Hände greifen ineinander, aus vorsichtigen Annäherungen werden eindeutige, deutliche und bestimmte körperliche Berührungen, bis schließlich, die Frau, Finger um Finger, aus ihrem Handschuh entkleidet wird. Atem beraubend vorgeführt von Gerhard und Kathrin Mensching. EINFACHE HÄNDE – nur auf die Finger gesetzte Holzkugeln als Köpfe und Handschuhe als Kostüm bilden das Theater. Die szenische Wirkung der stilisierten Figuren intensiviert durch eine von Gerhard Mensching entwickelten Kunstsprache aus wenigen deutschen und vielen erfunden, lautmalerischen Wörtern. (Wikipedia)

Jahre später, Schauspielhaus Köln, Barbara Nüsse spielt die „Monologe der Molly Bloom“ (aus dem letzten Kapitel von „Ulysses“, J. Joyce) – auf einer nahezu leeren Bühne ein Berg von Dutzenden von Handschuhen unterschiedlicher Farbe und Materialität neben der Schauspielerin, sie nimmt einen, zieht ihn über ihre Hand, streift ihn bald wieder herunter, legt ihn ab – so geht es in Einem fort – einer nach dem anderen …

Sergej Obraszow spielte in den dreißiger Jahren Szenenfolgen mit Händen, auf die er nur eine Kugel als Kopf gesteckt hatte. In den fünfziger Jahren war es dann Yves Joly, der mit seiner bloßen Hand eine Badeszene spielte, die bald Schule machte und in vielen Variationen von »Striptease-Szenen« bis heute auf der ganzen Welt wiederholt wird. (Knoedgen, W., ebd., 62)

Szene 9

Der Kasper (*) gerät in die Kritik. Im Jahr 1973 schlachtet Melchior Schedler die blauen Elefanten in Folge der 1968er Bewegung und im Rahmen der Bildungskrise. Der repressiven Erziehung der deutschen Nachkriegsgeschichte wird der Kampf angesagt: Kinderbücher und dem diese Bücher inszenierenden Kindertheater wird „die Flucht in die Drolerie“ vorgeworfen. Statt repressiver Traumwelten wird eine neu ausgerichtete Erziehung gefordert. Wie soll Erziehung zukünftig sein, welche Maßstäbe bzw. Kriterien sollen der Orientierung dienen? Die Ansprüche an das Puppentheater als Kindertheater werden wissenschaftlich interdisziplinär reflektiert und neu justiert.

Spiel, Pädagogik und Bildung / Kunst und Theater?

PUPPENSPIEL und FIGURENTHEATER? Zeitgleich starten im deutschen Fernsehen Ernie und Bert. Wer wie was – wieso weshalb warum – wer nicht fragt, bleibt dumm. Sesamstraße: Handpuppen, Klappmaulfiguren und Menschen im Tierkostüm – Puppentheater kombiniert mit Menschentheater. Das Figurentheater P. K. Steinmann aus Berlin antwortet großformatig, modern und mutig: Figuren werden abstrakter, ein Mannshohes Requisitenteil, eine Teekanne, kommt auf die Bühne, sie wird zur Spielleiste – modernes Figurentheater. Und:

Das Spiel beginnt aus dem Zuschauerraum, bei den Kindern, Zebra! Zebra? ruft der Zoowärter, ja wo bist Du denn nur? — blickt sich fragend um, schaut die Kinder an. Diese erblicken das Zebra auf der Spielleiste der Figurentheaterbühne, und unter Mithilfe der kindlichen Zurufe kann der grün beschürzte Zoowärter wenig später hinter der Handpuppenbühne verschwinden und im Zoo beim Zebra auf der Bühne erscheinen, so dass das Spiel auf der klassischen Spielleiste seinen Fortgang findet. Der Wechsel der Spielebenen und die Kombination von Schauspiel und Figurentheater waren etwas Neues und modern, eine Aufführung vom Puppentheater Kieselstein.

(*) Der Kasper meiner Kindheit war der Kasper des elterlichen Theaters. Er war frech und selbstbewusst, fand unkonventionelle Lösungen, überlistete geschickt Repräsentanten des Bösen, verhalf den moralisch Guten zum Sieg, widersprach bisweilen auch der Obrigkeit, stellte eine gestörte Ordnung wieder her. Wenn es gefährlich und brenzlig für ihn wurde, konnte ich ihm als Zuschauerin zu Hilfe kommen und durch Zurufe den Fortgang beeinflussen. Das Geschehen wurde zu einem gemeinsamen. In jenen Momenten hatte ich als Kind das Gefühl, auch einmal über den Weitblick der Erwachsenen zu verfügen. (aus: In the mood, Redetext zum 75. Geburtstag meines Vaters & 40. Bühnenjubiläum meiner Eltern, Susanne Kieselstein [2003]).

Szene 10

Triangel im Museum Bochum – ein Spiel von Henk Boerwinkel – spektakulär die gesamte Inszenierung, geheimnisvoll und magisch das Geschehen – aufgeladen, Figuren, bei denen nicht identifizierbar ist, welcher Gattung sie angehören – sind es Marionetten, Handpuppen, Stabfiguren – vermutlich sind alle im Spiel – eindringlich. Zwei Figuren schaukeln parallel und nebeneinander, schwingen sich in die Höhe. Im Szenenverlauf überschlägt sich eine Schaukel … oder was war geschehen? Das ewige Spiel zwischen Mann und Frau? Schwingung, Balance, Abstimmung? Maß und Maßlosigkeit – oder so ähnlich. Unvergessen der Haupteindruck, eine grandiose Aufführung gesehen zu haben auf höchstem, professionellen Niveau: Figurentheaterkunst.

Das derbe Theater hat scheinbar weder Stil noch Konvention noch Grenzen – in der Praxis hat es alle drei. – … Das heilige Theater befasst sich mit dem Unsichtbaren, und dieses Unsichtbare enthält alle verborgenen Impulse des Menschen. Das derbe Theater befasst sich mit den menschlichen Handlungen, und weil es erdhaft und unmittelbar ist – weil es Bosheit und Gelächter zulässt – erscheint das Derbe besser als das hohle Heilige. (Brook, Peter [1983], Der leere Raum, Berlin, 93)

Szene 11

Ein Kulturereignis in der Musikhochschule Köln (heute: Hochschule für Musik und Tanz) – unmissverständlich ein Ort der Vermittlung von Hochkultur. Ein alter Bekannter aus der vertrauten Welt wird auftreten, einer aus der Familie der Marionetten, Clown Gustav und sein Ensemble. Gustav flirtet, grinst schelmisch wie eh und je ins Publikum, spielt mit den Erwartungen des Zuschauers, hebt seinen berühmten Zeigefinger in die Luft. Welche Freude. Er bleibt für mich der kühnste und sympathischste Pianist, einer, der nie je eine Taste angeschlagen hat und doch so viel zum Klingen bringen konnte. Albrecht Roser, ein Virtuose, zeigte nachhaltig, dass das Figurentheater im Olymp der hohen Künste bestehen kann und in seinem ästhetischen Potential anderen Kunstsparten in nichts nachsteht.

Hat der Vorgang, den wir Bildung nennen wollen, einem Menschen keinen Grund, keinen Anlass, keine Fähigkeit zur Freude gegeben, war er verfehlt. Das griechische Wort für Glück – eudaimonia – rückt weit ab vom Glücksfall, von happiness, happening. Es heißt wörtlich: Die Dämonen sind in uns zur Ruhe gekommen – und das ist unsere Leistung. (Hentig, Hartmut v., ebd. 77)

Szene 12

Besuche der Tage des Puppenspiels im Revierpark Nienhausen in Gelsenkirchen (initiiert von meinem Vater und Werner Höfinghoff); sporadisch, Samstagabend, „Puppenspiel bei Bier und Kerzenlicht“. Besonderes Highlight im Rahmen einer der letzten Veranstaltungen, ein Ausschnitt aus „Der Bär auf dem Försterball“ nach dem Buch von Peter Hacks, phantastisch inszeniert und gespielt von Jojo Ludwig. Der Bär tritt aus einem Kunstwerk heraus, das Spiel beginnt. Etliche Jahre später, 2009, Besuch der Aufführung „Über den Klee … oder Der Knochen in meinem Kopf“, ein Stück mit Handpuppen von Paul Klee, aufwändig hergestellte Nachbauten/Kopien der Handpuppenoriginale, gespielt von Friederike Krahl (Theater Handgemenge) und Melanie Sowa (Theater Kasoka), in der Neuen Nationalgalerie Berlin, anlässlich der dort präsentierten großen Paul-Klee-Ausstellung. Eindrucksvoll werden biografische Episoden zwischen Paul Klee und seinem Sohn Felix aufgeführt. Eine Figur stellt sich vor „Ich bin ein schwieriger Gedanke“ steigert sich im Verlauf der Aufführung zu „heute bin ein ganz sehr schwieriger Gedanke“.

Im Dezember 2011 verabschiedet sich mein Vater von mehreren Koffern mit dem Etikett »Puppentheater Kieselstein«; sie enthalten das Gros der Marionetten. Einige Figuren wechseln nach Berlin, zwei Koffer, einer mit der Beschriftung »Der lange Marsch« und ein anderer »Marionetten-Szenen« verbleiben in Köln. Hund Schnupps, eine Marionette aus der ganz frühen Zeit, im Originalzustand, schnürrt bald vereinzelt nach neuen Fäden. Irgendwie habe ich direkt das Gefühl, ein alter, verlorenen geglaubter Schatz ist in meine Hände gelangt. Für den grünen Stelzvogel, dem ich sofort anmerke, dass er, neu beflockt, restauriert worden ist, gibt es ein Stück Neue Musik.

Lirum Larum Löffelstil … Vlieland … Sprünge von der Düne … und Singen, Tanzen, gleichberechtigt zwischen den Großen Hava nagila, Hava nagila.

Neugierig bin ich.

In jedem Moment, in dem Sie ganz und gar neugierig sind, sind Sie frei. (H. A. Almaas)